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Die Zeit der Romanik in Berchtesgaden

Bilder-Vortrag von Alfred Spiegel-Schmidt im evangelischen Gemeindehaus

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Die Zeit der Romanik begann im Berchtesgadener Talkessel mit der Stiftsgründung 1102 und reichte bis zum ersten frühgotischen Bauwerk im Jahre 1283 (dem Chor der Stiftskirche). Typisch für diese romanische Baukunst warum Rundbögen und dicke Mauern mit kleinen Fenstern, in den Kirchen zunehmend weiter gespannte Gewölbe sowie figürlich oder pflanzlich ausgestaltete blockhafte Kapitelle. Wo nun genau solche romanischen Überreste hier noch zu finden sind, das zeigte an diesem Abend für die Gruppe „Tee-nach-Sieben“ Alfred Spiegel-Schmidt mit anschaulichen Bildern den vielen an Heimatkunde Interessierten (den Kreuzgang in der Stiftskirche hatte er schon in einer früheren Führung ausführlich behandelt).

Spiegel-Schmidt setzte einen kleinen Ausflug in die Geschichte voran, um Zusammenhänge deutlicher zu machen. Dass Geschichte bei ihm absolut kein langweiliges Fakten- und Zahlenwissen ist, das zeigten einmal mehr seine eingestreuten Details: Er begann mit der dreimal verheirateten Gräfin Irmingart (abgebildet am Hirschenhaus), die sich in einem Gelübde verpflichtet hatte, auf ihrem ererbten Gebiet ein Stift zu errichten. Sie wählte dazu bewusst die Augustiner Chorherren aus, die sich nicht nur der Seelsorge annahmen, sondern auch Frauen als gleichberechtigte Partner sahen, da es Frauen waren, die am Kreuze Jesu ausgeharrt hatten. Dass Irmingart ihr Gelübde allerdings zu Lebzeiten nicht mehr einlöste, war damals üblich: Man lebte gut und beschwor dann am Sterbebett die Nachfahren, das gegebene Versprechen zu erfüllen – was im Falle Irmingarts den Sohn Berengar betraf.

Graf Berengar von Sulzbach, der bereits in der Oberpfalz Mitstifter des Klosters Kastl war, zog seinen Halbbruder Kuno von Horburg hinzu und bestimmte zur Gründungsausstattung die Villa Berchtesgaden und den Ort Niederheim (heute St. Georgen im Pinzgau). Aus dem papsttreuen Kloster Rottenbuch sandte ihm der dortige Propst Ulrich vier Kleriker und vier Laienbrüder, die sich Eberwin zum Propst wählten. Eberwin und Kuno reisten daraufhin nach Rom, um die Stiftung dem Heiligen Stuhl zu übereignen. Spiegel-Schmidt hatte dazu tatsächlich in der vatikanischen Bibliothek eine Zeichnung gefunden, die Papst Paschalis II. mit der damaligen weißen Mütze, dem Phrygium, zeigt.

Berengar selbst musste wiederum seiner Gattin Adelheid am Sterbebett versprechen, auch in Baumburg ein Kloster zu errichten. Eberwin und seine Mitbrüder begaben sich 1108 dorthin, froh, Berchtesgaden verlassen zu können, das für sie „eine wüste Einöde, ein schrecklicher Wald, der von ewiger Kälte und eisigem Schnee erstarrte“ war. Gegen 1118 dürfte Kloster Baumburg vollendet gewesen sein, da Eberwin nun nach Berchtesgaden zurückkehrte, für den Klosterbau Steinmetzen anwarb und die Fundamente legen ließ. Spiegel-Schmidt zeigte dazu zwei Säulen, an denen man die persönlichen Zeichen der Steinmetzen sehen konnte. Aber auch die Karte mit dem reichen Grundbesitz (Grafengadener Wald), den Berengar dem Stift vermachte, war beeindruckend. Doch erst nachdem 1135 ein gewisser Chadeloh aus Reichenhall seine Greinswiese in Winkl dem Stift übergeben hatte und 1155 der Erzbischof von Salzburg mit dem damaligen Propst Heinrich seine Wiese mit einer dem Stift gehörenden Wiese in Niederösterreich tauschte (daher der Name Bischofswiesen), befand sich der gesamte Talkessel im Stiftsbesitz.

Spannende Geschichte war auch die steinerne Kirche von 1134 auf der Halbinsel St. Bartholomä: Ein so früher Kirchenbau an so abgelegener Stelle deutet auf einen alten Kultplatz hin und ist mit einem Schreiben von Papst Gregor zu erklären, dass heidnische Heiligtümer besser nicht zerstört, sondern christlich umgestaltet werden sollten. Bei der Renovierung 1973 wurde das romanische Fenster an der Außenfassade freigelegt; das Langhaus ist noch der alte Bau von 1134.

Dass Fälschungen keine Erfindung unserer Zeit sind, bewies Spiegel-Schmidt mit der 1180 umgeschriebenen Urkunde Kaiser Friedrich Barbarossas (der ältesten Goldenen Bulle im Bayerischen Hauptstaatsarchiv), der eigenmächtig das bis dahin nicht verliehene Bergregal hinzugefügt wurde als Beweis, um am Tuval bei Schellenberg Salz schürfen zu dürfen und die Ansprüche der Salzburger abwehren zu können. Mit sehr aussagekräftigen Fotografien und Zeichnungen ging Spiegel-Schmidt weiteren romanischen Spuren in und um Berchtesgaden nach, das sich immer wieder gegen Konkurrenz wehren musste – in Hallthurm sind noch Mauerreste der Befestigungsanlagen (von 1194) gegen die Reichenhaller zu sehen, in Schellenberg ist es der alte Wehrturm (von 1252) gegen die Salzburger. Die Zeit der Romanik gab es in der Menschheitsgeschichte nur einmal – Betrug und Machtkämpfe leider bis heute!

Text: Ursula Kühlewind, Foto: Günther Kühlewind