Ökumenischer Gesprächsabend zu „Religionsfreiheit?“
Gemeinsame Veranstaltung der Frauengruppen im evangelischen Gemeindehaus
am 9. Mai 2019
Zum traditionellen Ökumenischen Gesprächsabend im Mai hatten die Frauenbünde Marktschellenberg und Unterstein, der Familienkreis Ramsau sowie die Gruppe „Tee-nach-Sieben“ geladen. Die große Runde Interessierter und ihre Fragen zeigten das Bedürfnis, über Themen wie Religion, Kirche und Glaube frei und offen, aber in geschütztem Raum, reden zu können, den ihnen die beiden Pfarrer Dr. Thomas Frauenlob und Peter Schulz dankenswerterweise und mit viel Hintergrundwissen an diesem Abend boten.
Zur Einstimmung wurde eine kurze Umfrage ausgewertet und mit den Ergebnissen des Erzbistums München und Freising verglichen, das diese Umfrage in Auftrag gegeben hatte: Zumindest im Talkessel scheint demnach die Bindung an die beiden Kirchen noch nicht so bedrohlich zu bröckeln wie in den Städten. Dem ließ Pfarrer Dr. Frauenlob einen gut verständlichen historischen Überblick folgen über Religionsfreiheit im Zuge der Zeit, von den ersten drei Jahrhunderten des Christentums als verfolgter Untergrundkirche bis zum Christentum als Staatsreligion, das Kaiser Konstantin als gemeinsame geistige Basis für sein großes Reich diente. Herrschaft war mit Religion identisch – was sich erst mit der Reformation änderte, da nunmehr evangelisch gewordene Fürsten naturgemäß keinen römischen Papst mehr anerkennen wollten.
Es dauerte jedoch bis Anfang des 20. Jahrhunderts, bis der katholische König in Bayern nicht mehr gleichzeitig „Chef“ der evangelischen Landeskirche war. Denn erst mit der Abschaffung der Monarchie entstand die Frage, was des „Kaisers und was Gottes“ sei. Nach den beiden Weltkriegen war bewusst eine Neuordnung gesucht worden, vor allem auch im Umgang mit anderen Religionen. Angesichts der in vielen Ländern eingeschränkten Religionsausübung wurde die eigene Religionsfreiheit nun als wichtiges Gut erkannt. Die klare Trennung von Kirche und Staat gehe aber zumindest in Deutschland mit einer vernünftigen Kooperation Hand in Hand, wie Dr. Frauenlob in Blick auf andere Länder ausführte.
Pfarrer Schulz verwies dabei auf die Väter des Grundgesetzes, die in Artikel 4 zur Freiheit des Glaubens Gott an die erste Stelle gesetzt hatten. Für sie bedeutete Religion, was einen sicheren Stand in der Welt verleihe. Doch wie stellt sich ein Christ zu dieser Welt? Und was würde passieren, wenn alle Welt christliche würde? Dazu erklärte Dr. Frauenlob das Ideal des Gottesstaates, wie ihn der hl. Augustinus sah – in dem alle Welt christlich geworden war und die Juden, als ältere Brüder im Glauben, in Ghettos Freiraum bekämen, ihren Glauben zu leben. Heute gelte eher, so Schulz, der Satz des ehemaligen Bundeskanzlers Schmidt, dass man mit der Bergpredigt keine Politik machen könne. Schulz zeigte aber anschaulich ein Gedankenkonstrukt Luthers, das jeden einzelnen Mensch eingebunden sieht zwischen den Koordinaten Evangelium und Gesetz. Damit sei auch jeder aufgefordert, die eigene Position immer wieder neu zu durchdenken, zugespitzt bei Fragen wie „Darf man einen Tyrannen umbringen?“ oder „Darf ich abtreiben?“ Zur Katastrophe kam es allerdings in der Nazizeit, als mit einer falsch verstandenen Zwei-Reiche-Lehre Hitler als Führer begrüßt werden konnte. Dem setzte der Schweizer Theologe Karl Barth seine Sichtweise entgegen, dass der Mensch unten, auf Erden lebe, die Christen mitten unter den Menschen. Gott wirke „von oben“ mit seinem Evangelium in die christliche Gemeinde hinein und diese wiederum in die sie umgebende Menschheit.
Beide Pfarrer traten vehement dafür ein, dass einmal Glaube, so wie er im Glaubensbekenntnis gesprochen wird, offen und damit bekannt sein müsse, ansonsten aber als persönliche Auseinandersetzung mit Gott unantastbares Gut des einzelnen Menschen sei; dass andererseits Religion durchaus etwas in der Öffentlichkeit zu suchen habe, anders als oft von Politikern gefordert. Auf die Frage, ob es Religion überhaupt brauche, verwies Dr. Frauenlob abschließend auf die erschütternden Bilder der brennenden Kathedrale Notre-Dame in Paris: Hier wurde klar, dass eine Lücke bleiben würde, verschwände die Kirche, verschwände Gott. Denn Kirche als Glaubensgemeinschaft und Vermittler gleichermaßen kann Halt geben und geistige Heimat; und Qualität wird sich auch in Zukunft und mit weniger Kirchenmitgliedern durchsetzen.
Ursula Kühlewind