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Der Berchtesgadener Anzeiger berichtet am 21. Dezember 2020:

»Es fällt schwer, in diesem Virus etwas Gutes zu sehen«

Pfarrer Josef Höglauer spricht im Interview über veränderte Weihnachten und seine Anfangszeit in Berchtesgaden

HoeglauerBerchtesgaden – Das Kirchenjahr 2020 sah ganz anders aus, als es sich viele gewünscht hätten. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr mussten auch Gläubige auf den Kirchgang verzichten, über Weihnachten soll dies – unter strengen Vorkehrungen – allerdings möglich sein. Gesungen werden darf nicht, 1,5 Meter Abstand sind einzuhalten und sollten größere Menschenmengen erwartet werden, muss vorab eine Reservierung erfolgen. Pfarrer Josef Höglauer kam erst in diesem schwierigen Jahr nach Berchtesgaden. Wie hat er die ersten Monate erlebt? Im Interview mit dem »Berchtesgadener Anzeiger« beantwortet er diese Frage, und erklärt, wie Weihnachten trotz aller Regeln gefeiert werden kann.

Herr Pfarrer Höglauer, wie ist es Ihnen in den ersten Monaten in Berchtesgaden ergangen?

Josef Höglauer: Ich bin hier wirklich sehr gut angekommen und aufgenommen worden. Ich habe zum 1. August angefangen. Das war eine Zeit, in der verhältnismäßig viel möglich war. Gleich beim ersten Gottesdienst sind viele Leute auf mich zugekommen. Und ich habe gemerkt: Ich darf hier mit tollen Kollegen, einem motivierten Kirchenvorstand und engagierten Mitarbeitern zusammenarbeiten. Es war trotz Corona ein wirklich schönes und gutes Ankommen.

Welche Rolle spielt das Thema Corona in Ihrer Arbeit als Pfarrer und vor allem als Seelsorger?

Höglauer: Corona schränkt die Seelsorge massiv ein. Denn Besuche bei Gemeindegliedern, ganz gleich ob sie zu Hause, im Krankenhaus oder einem Seniorenheim sind, bergen immer ein Ansteckungsrisiko. Normalerweise versuche ich, regelmäßig bei den Menschen im Krankenhaus und Altenheim zu sein und bei den runden Geburtstagen persönlich zu gratulieren. Da ergeben sich oft gute und tiefgehende Gespräche. Das funktioniert während der Pandemie aber nur sehr eingeschränkt. Telefonieren ist natürlich möglich, ist aber nicht das Gleiche wie ein persönliches Gespräch.

Gottesdienste unter Hygieneauflagen – wie fühlen Sie sich dabei? Vor allem, dass viele Kirchenbesucher schon älter sind und dementsprechend zur Risikogruppe gehören.

Höglauer: Normalerweise hat man als Pfarrer Angst, dass zu wenig kommen. Jetzt befürchte ich ab und zu, dass zu viele kommen und die Sitzplätze wegen der Abstandsregeln nicht reichen. Aber diese Befürchtung hat sich noch nie erfüllt (lacht). Die Maske stört mich inzwischen überhaupt nicht mehr. Und die Gottesdienstbesucher nehme ich als sehr rücksichtsvoll wahr. Sie halten die Abstände wirklich gewissenhaft ein. Aber es ist schade, dass vieles gerade nicht möglich ist. Ich hätte einige Ideen für Gottesdienste, Gemeindeaktionen und Angebote für Urlauber, die aber gerade nicht realisierbar sind. Die große Motivation, die man zum Anfang mitbringt, wird dadurch schon gedämpft.

Weihnachten naht, normalerweise eine Hochzeit für die Gemeinden – wie wird es dieses Jahr ablaufen?

Höglauer: Wir feiern insgesamt acht Gottesdienste, sieben davon unter freiem Himmel. Denn an Weihnachten würden unsere Kirchen wirklich nicht genug Platz bieten. Es gibt Familiengottesdienste und die Feiern der Christvesper und Christmette. An alle Besucher werden Kerzen verteilt. Vielleicht wird dieses Weihnachten sogar zu einem besonders schönen und innigen Fest. Im Freien ist das Ansteckungsrisiko gering. Problematisch könnte aber das Wetter werden. Denn auch bei Regen haben wir keine andere Möglichkeit, als draußen zu feiern. Die Termine sind auf unserer Homepage unter www.berchtesgaden-evangelisch.de abrufbar.

Weihnachten unter veränderten Bedingungen – Sollte Corona als Chance gesehen werden, Weihnachten neu zu erleben oder überwiegen die Einschränkungen?

Höglauer: Corona hat so viele Menschen das Leben gekostet und anderen das Leben schwer gemacht. Es fällt mir schwer, darin etwas Gutes zu sehen. Aber vielleicht ergeben sich durch das außergewöhnliche Weihnachtsfest Chancen, die wir jetzt noch gar nicht für möglich halten. Vielleicht kommen Menschen zu den Gottesdiensten im Freien, die schon lange nicht mehr den Weg in die Kirche gefunden haben. Auch wenn die Einschränkungen wehtun, hoffe ich sehr, dass es für alle ein frohes Fest wird. Oder in Anlehnung an Paulus gesagt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – auch nicht Corona.

Plagen kommen auch im Alten Testament vor. Wie kann man sie in Bezug zu dieser Situation heute setzen?

Höglauer: Bei den zehn Plagen in Ägypten war es der Gedanke, dass das Volk Israel aus der Knechtschaft zur Freiheit kommt. Die im Alten Testament beschriebenen Plagen sollten den Israeliten helfen, ihre Unterdrückung zu beenden. Das ist heute vielleicht schwer verständlich, man muss das gesamte Bild sehen und darf es nicht auf die Plagen, darunter war ja auch tatsächlich eine Seuche, reduzieren. Es ist nicht so, dass Gott Plagen als Strafe schickt. Gott straft nicht, sondern will zur Freiheit führen. Heute wird gerne vieles verkürzt und einfach dargestellt und würde man Corona als Strafe Gottes sehen, dann verfälscht das die eigentliche Aussage der Bibel. Man muss das Ganze sehen. Dazu braucht es aber Zeit und Offenheit zuzuhören.

Christoph Merker