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Der Berchtesgadener Anzeiger berichtet am 27. September 2022:

Clemen 1aErwärmende Musik im kalten Raum

Konzert für Flöte und Orgel in der Christuskirche

Berchtesgaden – Sehr Bekanntes und auch ein wenig weniger oft Gehörtes biete das Programm, sagte Bettine Clemen im kurzen Vorgespräch. Tatsächlich brauchte man nur wenige Töne, um Georg Friedrich Händels Larghetto zu erkennen, ebenso bei der folgenden Sinfonia aus der Bach-Kantate Nr. 56. Das war aber nur der Auftakt zu einem sehr guten Konzertabend in der Christuskirche, bei dem die Flötistin Bettine Clemen und die Organistin Monika Nestle zu brillieren wussten. Die lange pandemiebedingte Zwangspause überbrückte das erst jüngst zusammengefundene Duo durch Auftritte in Kirchen, die mindestens zeitweilig auch für Musik offen waren. Was gut war und ist für Musiker und Musikhörer.

»Greensleeves« in Variationen folgten im Programm und später zwei Sätze aus der »Kleinen Nachtmusik« von Wolfgang Amadeus Mozart und endlich Franz Schuberts »Ständchen«, bei dem auch erstmals die Bass-Flöte zum Einsatz kam, die von manchen Zeitgenossen als Staubsauger eingeordnet werden, die aber ungleich angenehmere, warme Töne von sich gibt. Die Flötistin ist weit gereist und konzertierte in einer unglaublichen Zahl von Ländern. Sie sammelt Flöten, wie an anderer Stelle zu lesen war, und war an diesem Abend Willens, einige vorzustellen und die Zuhörer mit deren Klang vertraut zu machen. Beispielsweise mit den samtigen Tönen von Indianerflöten. Selbst aus einem billigen, winzigen Instrument, das sie in Santiago de Chile auf der Straße gefunden hat, kann sie Wohlklingendes hervorholen.

Zwischendrin plaudert sie im Altarraum, berichtet vom zufälligen Zusammentreffen mit der Organistin Monika Nestle in schweren Zeiten, dass sich als menschlicher und musikalischer Glückstreffer erwiesen habe und dass sie in der Zeit, als alle Konzertsäle geschlossen waren, Musik in den Kirchen der Region machen konnten. Nicht nur für Menschen, auch für Tiere spiele sie gern. Nicht nur Milchkühe, weiß man ja, bringen zur Musik Mozarts Höchstleistungen, auch Löwen und Tiger sind empfänglich für schöne Töne – vorausgesetzt sie sind gerade satt. Bettine Clemen komponiert auch. Nicht nur für Tiere, auch als Thema. Bei einer Ausstellungseröffnung in der Ganghofer-Straße stellte sie eines dieser Werke vor und man sah geradezu bildlich die Herden durch die Galerie-Savanne preschen.

Bettine Clemens Ortswechsel untermalte Monika Nestle mit einem zweigeteilten Orgelsolo. Es folgte Musik von Franz Xaver Schnizer, dem gängige Nachschlagewerke zwar nur eine regionale Bedeutung als Komponist bescheinigen, der allerdings, was im Allegro und dann im Intermezzo aus seiner Sonate Nr. 1 hörbar war, eine durchaus feinnervige Orgelmusik geschaffen hat. In Kirchen kommt der Dreivierteltakt wohl nicht oft zum Einsatz, aber die beiden Musikerinnen bewiesen, dass Flöte und Orgel durchaus auch dieser bizarren Konstellation gewachsen sind, vor allem, wenn es hervorragende Musikerinnen sind. »An der schönen blauen Donau« von Johann Strauß, ließ auch in diesem kühlen Raum das Tanzbein zucken. Zwar ist dieser langlebige Ohrwurm nicht von Franz-Josef Strauß, wie der Programmzettel behauptete, sondern von Johann Strauß, Sohn. Ersterer hat meist die feinen Töne gemieden und mit anderen, manchmal groben, Mitteln Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Zurück in den Zweiertakt, aber immer noch im Ohrwurm-Modus die flotte »Badinerie« aus der 2. Orchestersuite von Johann Sebastian Bach. Am Ende dieses außerordentlich stimmigen Konzertes gab es eine Zugabe, wobei der Bass-Staubsauger erneut zum Einsatz kam, wohl der tiefen Singstimme von Leonard Cohen geschuldet, dessen »Halleluja« den wunderbaren Abend sanft ausklingen ließ.

Dieter Meister