Dieter Meister berichtet am 13.06.2024 im Berchtesgadener Anzeiger:
Die Pforte öffnet sich
Die evangelische Gemeinde feierte mit Gästen den 125. Geburtstag der Christuskirche
Berchtesgaden – Der Festgottesdienst in der Christuskirche war an diesem Sonntagvormittag außergewöhnlich gut besucht. Allerdings nicht ganz so gut wie bei der Einweihung am 30. Juli 1899. Da mussten sogar Eintrittskarten vergeben werden, um den großen Andrang zu steuern. Daran erinnerte der Regionalbischof Thomas Prieto Peral in seiner Predigt. Mit ihm waren auch Dekan Peter Bertram und viele Gäste aus den beiden großen Konfessionen sowie der Kommunalpolitik gekommen, um an der Feier zum 125-jährigen Bestehen der evangelischen Kirche teilzunehmen.
»Tut mir auf die schöne Pforte« war das Lied, das im allerersten Gottesdienst im damals neuen Gotteshaus gesungen wurde und es eröffnete auch den Festgottesdienst zum Jubiläum, der auch eine sehr lange Gästeliste aufwies. Im Altarraum sortierten sich evangelische und katholische Geistliche in bunter Folge, flankiert von den Fahnenabordnungen von Feuerwehr und Weihnachtsschützenverein. Die aus Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen zierten die ersten Reihen des nun 125 Jahre alten Kirchenschiffes.
Festgottesdienste sind für Kinder oft langweilig, bekannte Monsignore Dr. Thomas Frauenlob und versprach gemeinsam mit Pfarrer Christian Gerstner den kleinen Jubiläumsbesuchern einen eigenen, spannenderen Gottesdienst. Was diese wohl auch mit- Freude und möglicherweise auch Erleichterung gern annahmen und »auszogen«.
Evangelische sind Teil der Ortssilhouette
In seiner Predigt ging Regionalbischof Thomas Prieto Peral zunächst auf die Geschichte der Christuskirche ein, bei deren Einweihung das große Interesse nur durch Eintrittskarten geregelt werden konnte. »Selbstbewusst stand sie jetzt da, die neue Christuskirche auf der Höhe in Berchtesgaden.« Die Evangelischen, erinnerte Prieto Peral, waren jetzt Teil der Ortssilhouette, unübersehbar und noch etwas ungewohnt. »125 Jahre ist das jetzt her, mehrere Generationen haben in dieser Kirche seither gefeiert, gebetet, gehofft, getrauert und um Frieden ersucht. Zwei Weltkriege sind über das Land gezogen, denn eine lange Zeit des Friedens, der Fall des Eiseren Vorhangs und jetzt leider Gottes wieder Krieg in Europa.«
»Christus ist unser Friede« war das Thema des Jubiläumssonntags und der Regionalbischof las zu Beginn aus dem zweiten Kapitel des Epheserbriefes, das berichtete, dass das Christentum zu Beginn seiner Geschichte in Konflikt stand zwischen jüdischen Gläubigen und so genannten Heiden, die an die Götter Roms glaubten und daran festhielten. »Es zog sich ein Riss durch den jungen Glauben.« Aber Christus habe die Mauer niedergerissen und die Feindschaft zwischen ihnen beseitigt.
Auch im Jahre 2024, so Prieto Peral, »suchen wir nach Frieden«, weil sich das Leben im Moment oft merkwürdig unfriedlich anfühle. »Und wir ersehnen den Frieden politisch, in Zeiten unfassbarer neuer Kriege.« Die Mauern, die Menschen hochzögen, seien nie gottgewollt. Es seien »unsere Mauern, unsere Vorurteile, unser Mangel an Mitgefühl.« Hinter diesen Mauern aber stünden Menschen, die es Gott Wert seien. »Das dürfen wir nie vergessen.« Gott sehe auch in denen, die verachtet werden etwas Wertvolles, Liebenswertes.
Der Mensch neige dazu, irgendwann nicht mehr wahrzunehmen, was den anderen bewegt und ausmacht, hat aber bereits ein fertiges Urteil im Kopf. »Wir sehen derzeit, wenn in öffentlichen Debatten der Ton immer grober wird, wenn persönliche Diffamierungen Sachdiskussionen ersetzen.« Wenn Menschen pauschal diskriminiert würden, rassistisch oder antisemitisch beschimpft, sei es höchste Zeit für Christen, das Wort zu erheben. »Positionen kann ich kritisieren, den Menschen dahinter sollte ich immer achten.«
Gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchen
»Wir alle wissen, dass die Geschichte des kirchlichen Miteinanders in dieser Region nicht einfach war«, erinnerte der Regionalbischof. Ab dem Jahr 1732 wurden die Evangelischen im Salzburger und Berchtesgadener Land erst mit schweren Sanktionen belegt und dann mit schwerer Gewalt vertrieben.« Um so dankbarer sei er für die gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchen. »Der katholische Sinn für die sakramentale Gegenwart Christi und der evangelische Sinn für die Freiheit eines Christenmenschen ergänzen einander sehr gut.«
Vielleicht könne man zu einem nächsten großen Jubiläum in der Region ein großes ökumenisches Zeichen der Versöhnung geben. Im Jahr 2033 seien es 300 Jahre her, seit die Evangelischen vertrieben wurden. Das Deckengemälde der 1733 fertiggestellten Wallfahrtskirche am Kunterweg in Ramsau zeige einen Gerichtsengel. Der Blitze in die Luther-Bibel und die Andersgläubigen einschlagen lasse. »Auf Fürbitte der unbefleckten Jungfrau und Mutter ist der verderbende Irrglaube hier von dieser Kirche ausgetrieben worden.«
»Ich wünsche der Christuskirche Gottes Segen für viele weitere Jahre lebendige Gemeindearbeit.« Die Steine des Gebäudes mögen helfen, eine christliche Gemeinde zu sein. Er, so Thomas Prieto Peral wünsche auch, dass »Sie aber auch spüren, dass letztlich Sie die Steine sind, aus denen die Gemeinde gebaut ist.«
Grußworte gab es am Ende des Gottesdienstes. Marktbürgermeister Franz Rasp, der im Namen der Marktgemeinde, aber auch der Nachbargemeinden sprach, freute sich vor allem über das Miteinander auf Augenhöhe, das auch in diesem Festgottesdienst zum Ausdruck gekommen sei, aber vor allem in den vergangenen Jahren sichtbar gewesen sei und er freue sich schon auf viele weitere Jahre.
Auch Landtagsabgeordneter Michael Koller hob hervor, dass er sich vor allem freue, dass evangelische und katholische Christen gemeinsam feiern. Es brauche immer die Menschen, die dies möglich machten. Was wohl habe seinerzeit Carl Linde zu seinem großen Engagement bewegt? In der Zeit, die von vielen Kirchenaustritten geprägt sei, werde auch deutlich, dass Kirche und Politik gleichermaßen mit Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, um die Menschen zu erreichen. Es gelte, die richtigen Antworten auf die Fragen zu finden. Menschlichkeit, Vernunft und Zuversicht wären Grundpfeiler, die Angst nehmen könnten.
Dekan Peter Bertram hatte ein postkartengroßes Bild der Christuskirche dabei, das seit langem über seinem Schreibtisch hänge. Die ersten zweieinhalb Jahre seiner beruflichen Laufbahn habe er als Vikar in Berchtesgaden verbracht. Er sei diesem Ort und dem damaligen Pfarrer Dr. Wolfgang Höhne dankbar. »Der Einsatz für Frieden und Freiheit ist uns auferlegt.«
Monsignore Dr. Thomas Frauenlob von der katholischen Nachbargemeinde erinnerte an »alte Bilder« von Berchtesgaden, die nur Andreas-, Stifts- und Franziskanerkirche als Pfeiler des Ortsbildes zeigten. Man müsse zwar immer die Geschichte im Blickwinkel haben, aber vor allem nach vorne schauen. Trotz aller Dinge, die katholische und evangelische Christen unterscheide, leben man gut zusammen. Und er freue sich, dass die aktuelle Silhouette des Marktes längst einen vierten Punkt aufweise, die das Bild insgesamt präge.
Diese Kirche ist ein Geschenk
Pfarrer Dr. Wolfgang Höhne erinnerte sich, dass er vor einem Vierteljahrhundert »an dieser Stelle« verabschiedet worden sei. Wichtiger aber sei, dass vor mehr als 125 Jahren ein paar Leute, weniger als zehn, an diesem Ort standen und sich einig waren, dass hier eine Kirche entstehen müsse. Diese Kirche wäre ein Geschenk, das auch dem Münchner Bürger Carl Linde wesentlich zu verdanken sei. Und es zeige sich, dass eine Idee stark sein könne, wenn sie mit Leidenschaft verfolgt werde.
Auch der Halleiner Pfarrer Peter Gabriel wollte im Reigen der Geburtstagsgratulanten nicht fehlen und brachte, nach dem eigenen Gottesdienst, gute Wünsche und Geschenke in die Christuskirche. Auch für die bereits jahrelang gelebte partnerschaftliche Nachbarschaft wolle er sich bedanken. Man sei durchaus unterschiedlich, und doch sehr nah beieinander.
Im Anschluss zog die Gemeinde, angeführt von der Marktkapelle, im Festzug und mit forschem Schritt zu den Klängen des »Erzherzog Albrecht Marsch« und anderer zünftiger Melodien zum Kurgarten und zum »gemütlichen« Teil der Jubiläumsfeier.
Bericht: Dieter Meister; Fotos: W. Sauer, G. Kühlewind
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