Die Stiftskirche – ein ehrwürdiges Münster
Führung mit Kreisheimatpfleger Johannes Schöbinger
am 03. Juli 2019
Bärbel Heger vom Frauenbund Marktschellenberg und Ursula Kühlewind von T7 freuten sich, Frauen und Männer aus allen Frauenbünden im Talkessel, vom Familienkreis Ramsau sowie von Tee-nach-Sieben zu einem interessanten heimatgeschichtlichen Rundgang begrüßen zu dürfen: Dankenswerterweise hatte sich Kreisheimatpfleger Johannes Schöbinger bereit erklärt, durch die Stiftskirche zu führen, unter dem Motto „Stiftskirche und Co.“. Schöbinger begann seine Führung am heutigen Schlossplatz, dem früheren Residenzplatz, da das ehemalige Augustiner-Chorherren-Stift Berchtesgaden nicht nur ein kirchliches Territorium war, sondern bis 1803 weltlich ein eigenständiges Reichsfürstentum und der Propst einen sehr respektablen Titel führte: „von Gottes Gnaden des Heiligen Römischen Fürst, Propst und Herr zu Berchtesgaden“. Diese fürstliche Herrschaft fand, wie die Führung dokumentieren sollte, seinen Niederschlag in besonderen Künstlern und deren beachtlichen Kunstwerken.
Um „unser ehrwürdiges Münster“, wie die Stiftskirche bis ins 19. Jahrhundert genannt wurde, besser verstehen zu können, begann Schöbinger mit dem außen verbauten Gestein der Stiftskirchentürme, dem rötlichen Kälbersteinmarmor und dem alten Nagelfluh, der noch vom ursprünglichen romanischen Bau stammte. Die beiden Kirchenpatrone links und rechts des Eingangs, Johannes und Petrus, sind einmal der Vorläuferkirche geschuldet, da eine Taufkirche Johannes dem Täufer geweiht war, sowie der Diplomatie der Stifterfamilie, da die Propstei kirchlich direkt dem Papst unterstellt war.
In der ursprünglich offenen romanischen Vorhalle wies Schöbinger auf verschiedene Besonderheiten hin: So etwa auf das im Wortsinn gebaute „Kirchenschiff“, das in neun Stufen hinab zuerst in die „Leutkirch“ führt und auf der gegenüberliegenden Seite in neun Stufen wiederum hinauf zum Hochaltar. Oder auf die kleinen Köpfe und Fratzen, die den Besuchern vermitteln sollten, dass sie beim Durchschreiten des Portals heiligen Raum betraten und alle bösen Geister draußen, in der Vorhalle bleiben mussten. Das Innere der Stiftskirche gliedert sich in zwei Kirchenräume, die Leutkirche für das Volk und die Chorkirche für die Augustiner Chorherren, früher abgetrennt durch die Chorschranke bzw. den Kreuzaltar. Schöbinger lehrte nicht nur hier das Sehen neu, als er z. B. die Zahl Sieben in den Abmessungen des wuchtigen Kirchenraumes verdeutlichte, die im Grundriss nicht parallel stehenden Säulen zeigte oder die Bedeutung des Heilig-Geist-Loches erklärte.
Auch wunderbare alte Grabdenkmäler der Pröpste sind im Kirchenschiff zu bewundern, aus dem qualitativ wertvollen, dunklen Adneter Marmor angefertigt; sie künden noch heute von der einstigen eigenen Macht. Den Fürstpröpsten war für ihre Kirche nichts zu teuer, auch die Altäre sind aus massivem Marmor errichtet. Die noch heute erhaltenen Rechnungen mit schier unermesslichen Summen erzählen davon, wie man mit besonderen Kostbarkeiten ein Abbild des Himmlischen Jerusalems in der eigenen Kirche schaffen wollte. Um dem Volk aber auch Identifikationsfiguren bieten zu können, wurden für die Gestaltung der Altäre berühmte Hofmaler oder Bildhauer engagiert, die z. B. den Heiligen Rupertus (den Salzpatron), den Heiligen Sebastian (für alle Holzarbeiter) oder den Heiligen Patrick (als Viehpatron) abbildeten.
In der letzten Station, der Sakristei, zeigte Schöbinger „übrig gebliebene“ Exponate aus dem einst reichhaltigen wie beeindruckenden Berchtesgadener Kirchenschatz. In den politisch unruhigen Zeiten nach der Säkularisation waren immer wieder große Teile sei es in die Toskana, nach Österreich oder Frankreich abtransportiert worden. Aber auch neu errichtete Pfarreien wurden aus dem Fundus der Stiftskirche versorgt. Da die Kapitulare aus alten und meist reichen Adelsgeschlechtern stammten, waren sie im Stande, manchen kostbaren liturgischen Gegenstand zurückzukaufen. So konnte die überaus interessierte Besuchergruppe in der Sakristei prunkvolle Kelche, Wein- und Wassergarnituren, Kreuze oder ein Messbuch von1609 und vieles mehr bewundern, die Johannes Schöbinger mit umfassendem Hintergrundwissen erklärte.
Für das einfache Volk war der Alltag früher äußerst schwierig gewesen; Religion war das, was ihm Halt geben konnte. Und die ihnen vertraute Symbolik sowie auch die Pracht des Gottesraumes als Abbild ihrer erhofften Zukunft waren sichtbare Zeichen dieses Halts. – Das Hochaltarbild zeigt den Gläubigen, der Himmel ist offen, nicht nur hier in der Stiftskirche, „unserem alt ehrwürdigen Münster“.
Ursula Kühlewind