Brillant und auch ein wenig u(h)rig
Ralf Stiller gastiert mit seiner Jungen Hofkapelle und dem Jugendchor an St. Marien Greiz erneut in der Christuskirche
Berchtesgaden – Er hat es wieder getan. Bereits zum vierten Mal gastierte Ralf Stiller mit seiner Jungen Hofkapelle und dem Jugendchor an St. Marien Greiz in der Berchtesgadener Christuskirche. Stiller, einige Jahre als Lehrer an der Christophorusschule Berchtesgaden wirkend und dann in seine Thüringer Heimat zurückgekehrt, hat als Kantor an der Greizer Hauptkirche auch wieder viele musikbegeisterte Jugendliche gefunden, die spürbar Spaß am gemeinsamen Musizieren haben.
Wer sich in den vergangenen drei Sommern regelmäßig von den Thüringern verzaubern ließ, wird wieder neue Gesichter entdecken, und hören, dass das Orchester andere Klangfacetten hat, weil diesmal keine Blechbläser mehr dabei sind. Junge Musiker und Sänger scheinen in Greiz schnell nachzuwachsen.
Nicht nur in der Christuskirche gastierten die Greizer in diesem Jahr. Wie immer gab es Auftritte rundum, beispielsweise im Salzburger Dom. „Wer hat an der Uhr gedreht?“ ist das Motto von Ralf Stillers aktuellem Programm. Wie jedes Mal ist das Konzert in der Christuskirche für den Dirigenten der Höhepunkt der Sommerreise, ein „Heimspiel“ fast. Zumindest hat er diesen „Konzertraum“ schon damals nutzen können, um die Zuhörer davon zu überzeugen, dass er ein brillanter Musiker ist. Und ein genialer Lenker von Musik und musikalischen Talenten, denn auch diesmal haben seine Junge Hofkapelle und der Jugendchor an St. Marien eine überzeugende Leistung abgeliefert.
Ralf Stiller und somit seine Musiker und Sänger sind offen für nahezu jede Form von Musik, für jedes Genre. Zu Fuß und ohne Zigarettenstummel kam der Chor stimmungsvoll inszeniert durch das Hauptportal, mit Roger Millers „King of the Road“ langsam in den Altarraum. Und nicht lange danach wurde ein Teil der Sänger zu Instrumentalisten. Sie spielten den 1. Satz der ersten Symphony des Engländers und Händel-Zeitgenossen William Boyce, dem ein von Meister Stiller arrangiertes und vom Chor prächtig intoniertes Bach-Medley folgte. In dessen Mittelpunkt stand natürlich das berühmte „Air“ aus Johann Sebastians 3. Orchestersuite in D-Dur. Ein ähnlich wie Mozarts „Nachtmusik“ oft malträtiertes und gequältes Stück, dem die Interpretation des Jugendchores mit Lust ein neues, ungewöhnliches, aber prächtiges Neu-Leben einhauchte. Ein paar Erinnerungen an vorherige Konzerte gibt es auch. Den kleinen grünen Kaktus von den Comedian Harmonists hat Stiller schon in seiner Berchtesgadener Zeit stechen lassen und „Es ist Sommer“ wurde bereits an gleicher Stelle verkündet. Es klingt diesmal ein wenig anders. Weil auch der Chor ein wenig anders ist. Frische und sichtbare Begeisterung am eigenen Tun ist aber wohl gleich geblieben. Gut hör- und sichtbar für das Publikum, das eigentlich auch gleich geblieben ist, nur an Masse alljährlich zugenommen hat. Was zu der Frage führt, wie viele Sommer noch vergehen werden, bis alle Bänke besetzt sind.
Man könnte zu fast jedem der 20 musikalischen Programmpunkte eine Lobeshymne anstimmen. Den Gospel-Block trugen die jungen Sänger und Musiker mit Feuer und sichtbarer Freude vor. Für die Instrumentalstücke schälten sich Geiger, Cellisten und Flötisten aus dem Chor. Ebenso bestachen der Percussionist, der Bassgitarrist oder die Lautenspielerin. Hervorgehoben werden muss auch das wunderbar gespielte Konzert für Flöte und Harfe von Mozart, in dem sich eine junge Frau dem Publikum als ausgezeichnete Interpretin auf der Traversflöte präsentierte und bei dem gar keine Harfe dabei war. Es war ein prächtiges Konzert.
Vor Beginn sah man Ralf Stiller vorsichtigen Schrittes und ein wenig unsicher zwischen Kirche und Pfarrhaus pendeln. Das läge, gab er Auskunft, an den „Orgelschuhen“, die noch von seinem Vater stammten und daher alt seien. Das war zweifelsohne die einzige Unsicherheit, die Ralf Stiller bei seinem Berchtesgadener Gastspiel mit seiner Jungen Hofkapelle und dem Jugendchor an St. Marien Greiz zuließ. Der Rest war, weil alle Superlative schon aufgebraucht sind, einfach gut.
Wer hat also an der Uhr gedreht? Paulchen Panther oder Ralf Stiller, diese Frage wurde nicht wirklich beantwortet. Aber zumindest eine wichtige Frage wurde geklärt, die bereits auch von Pfarrer Peter Schulz in seiner Begrüßung aufgeworfen wurde. Wenn es am Ende des von Stiller selbst arrangierten Songs heißt: „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage“, gibt das eigentlich schon Hoffnung für den nächsten Sommer. Darauf darf man sich vielleicht schon freuen.
Dieter Meister
Fotos: privat