„Orgelmusik für 4 Hände und 4 Füße“
Sonntagskonzert in der Christuskirche am 12.09.2021
Dass eine Orgel von zwei Organisten gleichzeitig, also gewissermaßen vierhändig und vierfüßig, bespielt wird, ist – auch angesichts des recht spärlichen originalen Notenmaterials – ein seltenes Erlebnis. Und dieses Erlebnis hatten die Besucher des letzten Sonntagskonzerts in der Berchtesgadener Christuskirche.
Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021. Die beiden Dekanatskantoren des evangelisch-lutherischen Dekanats Traunstein – Matthias Roth aus Bad Reichenhall und Matthias Bertelshofer aus Traunstein – nahmen dies zum Anlass für eine Konzerttour durch das Dekanat, um die Orgel zu „entstauben“ und einem breiteren Publikum bekannt zu machen. So auch in Berchtesgaden. Dabei brachten sie Musikstücke aus verschiedenen Epochen von der Renaissance bis zur Neuzeit zu Gehör, und nicht nur geistlicher, sondern auch weltlicher Art.
Zwei achtstimmige Stücke im strengen Stil der italienischen Renaissance von Giuseppe Guami (ca. 1540–1611) und von Giovanni Gabrieli (ca. 1555–1612) erklangen zu Beginn. Dekanatskantor Roth erläuterte dazu kompetent und allgemein verständlich die sog. venezianische Mehrchörigkeit, bei der die beiden Manuale der Orgel mit- und auch gegeneinander eingesetzt werden.
Es folgten die filigrane und fein abgestimmte Sonata in G-Dur von Georg Friedrich Händel (1685–1759) und danach Praeludium und Fuge in C-Dur von Johann Georg Albrechtsberger (1736–1809), dessen Schüler u. a. Ludwig van Beethoven war. Hier erklang die ganze Dynamik der Orgel vom Pianissimo bis zum Fortissimo.
Was sind Pfeifen? Zungen? Register? Manuale? Fuß? Das sowie Funktion, Bestandteile und Ausdrucksmöglichkeiten der „Königin der Instrumente“ erklärte dann Dekanatskantor Bertelshofer, auch an Hand mitgebrachter Holz- und Metallpfeifen. Hörbeispiele verschiedener Klangfarben der Register rundeten die Informationen ab.
Der letzte Teil des Konzerts begann mit einer „Fuga a cappella“ im klassischen Stil des englischen Wunderkindes Samuel Wesley (1766–1837), das schon im Alter von acht Jahren für sein Kompositions- und – was für Organisten wichtig ist – Improvisationstalent bekannt war. Es folgte das hinreißend lautmalerische Charakterstück „Der Kuckuck“ des romantischen russischen Komponisten Anton Stepowitsch Arenski (1851–1906). Ursprünglich für Klavier zu vier Händen geschrieben ist die Fassung für Orgel farbiger und ausdrucksstärker und lässt neben dem Kuckuck auch das feine Pfeifen und Zirpen anderer Vögel hören. Den Kontrapunkt dazu bildete das Abschlussstück: Der schmissige Marsch „The Washington Post“ des amerikanischen „Königs der Marschmusik“ John Philip Sousa (1854–1932) mit seinem unwiderstehlichen 6/8-Rhythmus. Hier konnten die beiden Organisten noch einmal im wahrsten Sinn des Wortes alle Register ziehen. Sie wurden durch langen Beifall der Besucher belohnt.
Pfarrer Christian Gerstner zeigte sich froh, nach langer Zeit wieder Kirchenkonzerte anbieten zu können und dankte sowohl den beiden Musikern für ihren hervorragenden Auftritt wie auch den Besuchern für ihr Interesse. Es war ein exzellentes Konzert!
Text: Roland Beier, Ursula Kühlewind; Foto: Günther Kühlewind