Der Berchtesgadener Anzeiger berichtet am 31.08.2022:
Konzert der Hofkapelle Greiz in der Christuskirche Berchtesgaden
Berchtesgaden – Zum siebten Mal bereits gastierte Ralf Stiller mit seiner Hofkapelle aus dem thüringischen Greiz am Samstag in der Berchtesgadener Christuskirche. Der Musiker und Lehrer hat immerhin 16 Jahre in Berchtesgaden gelebt und gearbeitet. Offensichtlich zieht es ihn immer wieder an diesen »Tatort« zurück. Mit der Chance, »alte« Weggefährten zu treffen, Freunde, Bekannte und stets, um das wachsende Können seiner jungen Sänger und Musiker, unter denen sich bereits auch hier schon bekannte Gesichter entdecken lassen, zu präsentieren. Immer zum Vergnügen des Publikums. Und für die jungen Leute aus Ostdeutschland auch eine Entdeckungstour in (oft) unbekannten Gefilden und zugleich eine gute Gelegenheit, sich untereinander noch besser kennenzulernen. Sagt Noah Jalowski, der bei diesem Konzert sowohl als Sänger als auch als Moderator fungierte.
Das unter den Titel »Roads« gestellte Konzert, welches keine zwingende stilistische Einordnung zuließ, präsentierte sich wie gewohnt abwechslungsreich. Musical, überraschend im Posaunensolo von Julia Rudert vorgetragen, Gospel, evangelische Kirchenmusik oder die Psalm-51-Vertonung des italienischen Altmeisters Gregorio Allegri – alles fügte sich zusammen zum homogenen Konzert, das Gutes und manchmal auch Herausragendes stimmig miteinander ohne Brüche verband.
In früheren Jahren traten die Junge Hofkapelle und der Jugendchor St. Marien in Greiz auf. Inzwischen ist der Name auf »Hofkapelle« zusammengeschrumpft, wie der Moderator Noah Jalowski erklärte, weil die Besetzung in beiden Gruppen fast identisch ist, die Sänger singen im Chor und wirken (meistens) auch instrumental in der jungen Hofkapelle.
Die musikalischen Höhepunkte hat vermutlich jeder Zuhörer für sich wahrgenommen. Vielleicht war es Elgars »Chanson de Matin«, vielleicht die Erinnerung an die Comedian Harmonists oder »Alleweil ein wenig lustig« des barocken Meisters Valentin Rathgeber oder Morricones »Cinema Paradiso«, kraftvoll als Soloviolinenstück vorgetragen. Am Ende saß Ralf Stiller für Felix Mendelssohn Bartholdys »Verleih uns Frieden« an der Orgel, die ihm seit Langem vertraut sein dürfte.
In den vorangegangenen sechs Berichten über das »obligatorische« Stiller-Konzert in der Christuskirche wurde vor allem der Musikmeister gelobt. Man kommt auch diesmal kaum umhin, dies wieder zu tun. Denn es ist nach wie vor höchst erstaunlich, zu welcher Leistungshöhe der musikalische Nachwuchs in der thüringischen Stadt Greiz durch den Kantor gebracht wurde und wie Ralf Stiller es offenbar versteht, aus Einzelkönnern ein Ensemble zu formen, das sich durchaus mit Superlativen beschreiben lässt.
Aber nun sollen auch die jungen Musiker, an deren frühere Auftritte man sich inzwischen genauso erinnert, ein wenig näher ins Rampenlicht gerückt werden. Eindrucksvoll beispielsweise der Soloauftritt von Mareike Fische, die Georg Gershwins Song »Embraceable You« sang und das anschließende Violinsolo von Marius Frantz, der mit Edward Elgars »Chanson de Martin« brillieren konnte.
Überhaupt war dieses Konzert von Soloauftritten geprägt. Stiller gab seinen Musikern die Plattform, mit dem jeweiligen Instrument kurz im Mittelpunkt zu stehen, um danach wieder als Sänger in den Chor zurückzutreten. Das galt für die Saxofonistin Leonie Amler, die in atemberaubenden Tempo den »Csárdás« von Vittorio Monti spielte und ganz bestimmt auch für das mehrfach glänzende Streichquartett mit Marius Frantz, Chiara-Marie Dullin (beide Violine), Hanna Heckmann (Viola) und Jakob Heckmann (Cello).
Pfarrer Dr. Josef Höglauer bedankte sich zum einen für das Kommen der Musiker um Ralf Stiller und für das große Geschenk, das sie mit dem großartigen Konzert in Berchtesgaden gemacht haben. Der spontan heftig einsetzende Applaus bestätigte, dass viele es so sahen.
Eine Zugabe »verweigerte« das Ensemble, weil es, so Stiller, nach »What a wonderful world« nicht passen würde. Vielleicht erinnerte sich der ein oder andere Zuhörer an den Titel der Comedian Harmonists, der etwa in der Konzertmitte erklang und der an die offensichtlich fortdauernde Zuneigung des Musikers Stiller zu dieser Gruppe glauben lässt: »Irgendwo auf der Welt«, der die Hoffnung auf ein kleines bisschen Glück zum Schwingen bringt. Das Glück, auch das kleine bisschen, kann so viele Facetten haben und ist »irgendwo« zu Hause. Durchaus auch in Berchtesgaden, wenn auch vielleicht nur vorübergehend.
Dieter Meister
Fotos der Bildergalerie: Wolfgang Sauer