Dieter Meister berichtet am 20. Juni 2023 im Berchtesgadener Anzeiger:
Die Schönheit der menschlichen Stimme
Gastspiel des Salzburger Mozartchores in der Berchtesgadener Christuskirche
am 17. Juni 2023
Berchtesgaden – Vor Wochen trat der Mozartchor in der Kirche St. Antonius in Salzburg-Itzling auf und begeisterte sein Publikum. Damals wurde bereits »gemunkelt«, dass das Ensemble mit seinem A Cappella-Programm auch nach Berchtesgaden kommen könnte. Nun war er da mit seinem Leiter Richter Grimbeek, der ein Konzert der besonderen Art leiten konnte. In Itzling lieferte der Mozartchor, in dem übrigens eine Reihe von Berchtesgadener Sängerinnen , und Sängern mitwirkt, ein fantastisches Konzert ab. Und in Berchtesgaden – so jedenfalls wollte es scheinen, sogar ein noch besseres.
Das mag daran liegen, dass damals die Probenzeit für diese Auftritte noch kurz war, sich die »Leichtigkeit des Seins«, die Lockerheit, die man in der Christuskirche deutlich spüren konnte, noch nicht so präsent war. Diese scheinbare Lockerheit machte den Interpretinnen auch mehr Spaß als zuvor. Und das Publikum konnte dies deutlich spüren.
Der Mozartchor gastierte bereits mehrfach in Berchtesgaden – unter der Leitung von Stefan Mohr. Das A Cappella-Konzert ließ allerdings schnell die Gewissheit aufkommen, dass die Damen und Herren leicht in der Lage sind, ohne orchestrale oder andere instrumentale Begleitung ihr Publikum zu begeistern und im Kirchenraum eine knisternde Spannung zu erzeugen – nur durch die Kraft ihrer modellierten Stimmen. Erwähnenswert ist unbedingt, dass die Solisten, die offenbar insgesamt aus den Reihen des Chores kommen, durchweg stimmlich zu überzeugen wussten.
Richter Grimbeek, der ein wohl leidenschaftlicher Musiker ist und kein verknöcherter Jurist, wie es sein doch ungewöhnlicher Vorname vermuten lassen könnte, leitet den Mozartchor mit hörbarer Brillanz, neben einer ganzen Reihe von anderen Chören und Kirchenmusiken im Salzburger Raum.
Originale Stücke, für A Cappella komponiert und Bearbeitungen prägten das Repertoire des Chores, Bekanntes und nie Gehörtes aneinander gereiht, Überraschendes und Faszinierendes schwebte durch den schlicht gehaltenen Raum von St. Antonius. Dem »Ave Maria« von Franz Biebl, einem fast zeitgenössischen oberbayerischen Komponisten stellte Grimbeek die orthodoxe Variante aus Sergei Rachmaninovs »Nachtwache« gegenüber, ließ dann die Motette »Christus factus est« von Anton Bruckner folgen. Textliche Grundlage war eine Stelle aus dem Brief des Paulus an die Philipper: »Christus ward für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuze.« Ein speziell für A Cappella geschriebenes Werk. Hier war es vor allem das perfekte Zusammenspiel von hellen und tiefen Stimmen, mit dem der Chor geradezu verzauberte. Karl Jenkins ist neben seinem musikalischen Talent wohl auch ein cleverer Musiker. Sein »Exsultate, Jubilate«, erzählte Moderatorin Iris Mangeng war ursprünglich die »Unterlage« für einen Werbespot und, weil erfolgreich, dann ein Hit der Unterhaltungsmusik und letztlich, weil das Werk auch diese Hürde mit Bravour genommen, ein Stück für A Cappella-Chor. Die Wege der Kunst sind eben nicht immer gradlinig.
»Engel, die sich an die Sterne krallen, damit sie nicht vorn Himmel fallen«, intonierte der Chor anschließend, nicht ohne die Zweifel von Chorleiter Grimbeek und seiner Sängerinnen und Sänger, ob der Titel überhaupt noch im Programm bleiben sollte, zu erwähnen. Vor Wochen hat kaum jemand dieses Zuhörerpotenzials an die Band Rammstein gedacht, deren Titel »Engel« brillant von Oliver Gies arrangiert jetzt einen bitteren Beigeschmack bekommen hat. In der Frage, ob Gott dem Wunsch des Band-Sängers entsprechen wird, dass er kein Engel werden will, konnte auch die überragende Interpretation des Mozartchores letztlich auch nicht weiterhelfen.
»Pa se slis« des Slowenen Karol Pahor erklang im »Schlussblock« des Konzertes. Dann folgte »Cent Mille Chansons« von Michel Magne im Arrangement von Richter Grimbeek, das durch Caroline Schwarzacher als Solistin zu einem kleinen Höhepunkt wurde. Und offizieller Abschluss war dann »Näher, mein Gott, zu dir« des Niederländers Eugene Ceulemans. Ein Text, der vielfach vertont wurde. Eine Variante soll, so jedenfalls wusste es Iris Mangeng, das letzte Stück gewesen sein, das auf der »Titanic« gespielt wurde, bevor das Schiff in den Fluten versank.
Versöhnlich, dann die Zugabe, die der Chorleiter aus seiner ursprünglichen Heimat Südafrika mitbrachte: »Ukuthula«, was in der Sprache der Zulu wohl Frieden heißt.
Erwähnt sei auch, dass der aus »geübten Laien« formierte Mozartchor, wohl wie vermutlich alle Chöre, auf steter Suche nach neuen Sängerinnen und Sängern ist, um das längst erreichte hohe Niveau halten zu können.
Dieter Meister