Dieter Meister berichtet am 10. November 2023 im Berchtesgadener Anzeiger:
Musikgenuss mit Melancholie
Die Ensembles »Antiphonus« und »Concerto dei venti« in der Christuskirche
Berchtesgaden – Das kroatische Ensemble »Antiphonus« und »Concerto dei venti« aus Bad Beichenhall gastierten vor einem Jahr schon einmal gemeinsam in der Christuskirche. Anlass war der Todestag des Komponisten Heinrich Schütz. Vermutlich war dies auch der einzige Komponistenname auf der Programmliste des Konzertes, der bekannt vorkam, wenigen vielleicht noch Melchior Franck. Bei aller Freude mit »unbekannter«, weil weitestgehend vergessener Musik vorwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhunderts, in diesem Konzert bekannt gemacht zu werden, hatte der Abend auch zweifellos eine mindestens melancholische Bei-Note. »Bellum et Pax« (»Krieg und Frieden«) lautete der Titel dieses in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten und auch berührenden Abends.
Die vorwiegend in Latein vorgetragenen Gesänge berichteten von Leid und Verzweiflung, von der Hoffnung auf Frieden. Themen leider, die auch ein halbes Jahrtausend später nicht an Aktualität verloren haben. Zu hören war an diesem Abend eine Mischung aus Gesangswerken der Renaissance beziehungsweise des Frühbarock und Instrumentalstücken dieser Zeit, gelegentlich auch ein fein abgestimmtes Konglomerat aus beidem. Beeindruckend ist vermutlich noch ein schwacher Ausdruck für das Gebotene. Sowohl das kroatische Gesangsensemble wie auch die mit Zink, Barockposaunen oder Laute musizierenden Instrumentalisten aus Bad Reichenhall wussten vom ersten Ton an zu überzeugen und das Publikum auf ihre Seite zu ziehen.
Wer hörte schon einmal von Matthias Werrecore, Jacob Obrecht oder Firminus Caron? Sie lebten und komponierten im 15. und 16. Jahrhundert. Großteils waren ihre Werke zu ihrer Zeit außerordentlich beliebt und ihre Schöpfer waren außerordentlich beliebt unter denen, denen Musik etwas bedeutete. Und die gab und gibt es in jeder Epoche. Heute sind sie weitestgehend vergessen, verdrängt von den uns wichtigen großen Namen wie Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel, obwohl die nur ein paar Jahrzehnte später die musikalische Bühne betraten. Zu Unrecht wohl. Caron beispielsweise hat fünf Messen geschrieben, dazu eine ganze Anzahl von Liedern. Viele seiner meist mehrstimmigen Arbeiten wurden wegen ihrer »strukturellen und melodischen Klarheit« hochgeschätzt.
Konzerte, in denen vor 500 Jahren oder noch früher entstandene Kompositionen wieder ans Licht geholt werden, sind selten geworden. Um so erfreulicher, dass sich das kroatische Ensemble Antiphonus müht, scheinbar inzwischen weit Entferntes nahe zu bringen. Und ebensolcher Dank gilt den Bad Reichenhaller Musikern vom Ensemble Concerto dei venti und ihrem Streben, die Instrumente, die einst Musikfreunde hören konnten und möglicherweise gelegentlich entzückten, aus dem Vergessen zu holen.
Musik gab es zu allen Zeiten, leider aber auch Kriege, mit Gewalt ausgetragene Zwistigkeiten, in denen Tod oder Leben offenbar eine geringe Rolle spielten. Wie im Dreißigjährigen Krieg, den Pfarrer Dr. Joseph Höglauer in seinem Vorwort zur konzertbegleitenden Programm-Broschüre als Beispiel heraushebt. Die Kriegserfahrungen der meisten Musiker, deren Beiträge zum Thema »Krieg und Frieden« in der Christuskirche erklangen, sind sogar noch ein ganzes Stück älter. Die Motive erschöpften und erschöpfen sich leider nicht.
Das von Tomislav Facini, der auch den Bass singt, geleitete Ensemble besteht aus den Sopranistinnen Anabela Baric und Monika Cerovcec, der Altistin Loredana Medan und den Tenören Ivan Bingula sowie Mislav Lucic. Den Zink blasen bei »Concerto dei venti« Anna Schall und Martin Bolterauer, die Violinen spielen Uwe UIbrich und Alice Vaz, die Barockposaunen Adam Bregman, Keal Couper und Robert Schlegl. Zum Ensemble gehören auch Hans Brüderl (Laute) und Bernhard Prammer (Continuo).
Text und Fotos: Dieter Meister